Massive Proteste, die vor allem von regierungstunabhängigen Frauenorganisationen initiiert wurden, zwangen das Parlament, an einer Regierungsvorlage wichtige Änderungen vorzunehmen.
Demnach müssen sich Männer möglicherweise künftig darauf einstellen, dass ihr bislang verbrieftes Recht auf die Ehe mit mehreren Frauen eingeschränkt wird. Gemäß der von der parlamentarischen Rechtskommission korrigierten Gesetzesvorlage dürfen sich Männer
künftig nur noch mit Zustimmung ihrer ersten Frau eine Zweitfrau nehmen.
Ausnahmen soll es nur geben, wenn die erste Frau ihren Mann verlassen hat oder zu einer längeren Haftstrafe verurteilt wurde. Das berichtete die Nachrichtenagentur ISNA am 8. September unter Berufung auf einen Sprecher des Parlamentsausschusses. Bislang konnte sich ein Mann eine Zweitfrau auch ohne Einwilligung seiner ersten Frau nehmen.
Sollte die korrigierte Vorlage umgesetzt werden, wäre dies ein Etappensieg für die Frauen in der Islamischen Republik. Der Entwurf muss jedoch vom Parlament sowie vom Wächterrat gebilligt werden. Dieser prüft, ob die Vorlage mit islamischem Recht in Einklang
steht.
In den vergangenen Jahren ist die Polygamie in Iran besonders in städtischen Regionen drastisch zurückgegangen, obwohl Männer nach islamischem Recht bis zu vier Frauen gleichzeitig haben dürfen. Der Grund für diesen Rückgang liegt zum Teil im gestiegenen Status von Frauen in der Familie und nicht zuletzt in der Aufklärungsarbeit, die Frauenorganisationen seit Jahrzehnten leisten. Auch die wirtschaftliche Situation spielt dabei eine Rolle.
Die meisten Männer in Iran sind finanziell nicht in der Lage, für den Unterhalt von mehreren Frauen zu sorgen. Viele junge Männer können aus demselben Grund überhaupt nicht heiraten.
Frauenrechtlerinnen sehen die Vielehe oder die Zeit-Ehe als eine abgewandelte Form der Prostitution. Muslimische Gelehrte halten dagegen, dass Polygamie auch Vorteile für Frauen habe. So stünden Witwen zum Beispiel besser da, wenn sie eine Verbindung als Zweitfrau
eingingen als wenn sie alleine blieben.
Auch minderbemittelte Frauen erhielten dadurch finanzielle Sicherheit. Das „Gesetz zur Unterstützung der Familien“, in dem die umstrittene Regelung enthalten war, hätte ursprünglich Anfang September vom Parlament debattiert werden sollen, wurde aber nach
breiter Kritik in der Öffentlichkeit an den Ausschuss zurückgewiesen.
Die Frauenbewegung, vor allem die Aktivistinnen der „Kampagne eine Million Unterschriften für Gleichberechtigung“ feierten die Ablehnung als Sieg. „Wir finden es großartig, dass das Parlament auf die Stimmen der Frauen gehört hat“, sagte die Frauenrechtlerin Sussan
Tahmassebi der Agentur Reuters.
Allerdings enthalte der Entwurf immer noch problematische Regelungen etwa zu Ehen von Iranerinnen mit Ausländern.
Sie hoffe nun auf einen „positiven Dialog“ mit dem Parlament über dieses und andere Anliegen der Frauen im Iran.
* Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung ( Ausgabe 10/2008 )