Seit August letzten Jahres läuft die Kampagne „Eine Million Unterschriften zur Änderung von diskriminierenden Gesetzen“ parallel zu anderen Aktivitäten wie „Kampagne zur Aufhebung der Steinigung“ im Iran. Sie wird getragen von iranischen Frauenrechtlerinnen und beruft sich auf die Allgemeine Menschenrechtserklärung und Gleichberechtigung.
Wegen des großen Erfolges und starker Zustimmung in der Bevölkerung ist diese Bewegung nun zur Zielscheibe des iranischen Machtapparats geworden. Dutzende von Frauen sind bereits unter dem Vorwand, die nationale Sicherheit zu gefährden, verhaftet worden. So sollen einerseits die Aktivistinnen eingeschüchtert und anderseits die Kampagne kriminalisiert werden.
Bei einer Versammlung vor dem Revolutionsgericht, aus Anlass der Solidarität mit mehreren Frauen, die verurteilt werden sollten, wurden im vergangenen März zunächst über 30 Frauen verhaftet. Einige von ihnen wurden grundlos bis zu 17 Tage in Isolationshaft genommen und gegen Kaution freigelassen. Einige von ihnen wurden aktenkundig.
Vor zwei Wochen hat nun ein sog. Revolutionsgericht in Teheran auch die ersten Urteile gefällt. Zwei bekannte Frauenrechtlerinnen, Parwin Ardalan und Nushin Ahmadi Khorasani, wurden zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Weitere Verfolgungen von Feministinnen werden in den nächsten Tagen und Wochen erwartet. Diese Frauen haben sich nichts vorzuwerfen, tragen keine Schuld und haben nichts getan, außer sich für die Rechte der Frauen im Iran einzusetzen.
Das Schicksal der Verurteilten macht wieder deutlich, dass die Frauenrechte als allgemeine Menschenrechte im Zentrum des Kampfes für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Iran stehen. Deshalb ist diese Kampagne für die islamischen Machthaber so gefährlich.
Wir sind in Sorge um die verfolgten und verurteilten Frauen. Deshalb schweigen wir nicht.
Wir unterstützen folgenden Aufruf:
Unterstützen Sie den Kampf der iranischen Frauenbewegung*
Die iranische Frauenbewegung schreitet täglich in ihrem Kampf für Freiheit und Demokratie voran. Sie kann einige Erfolge aufweisen, die nur dem Kampf der Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen zu verdanken sind. Das wird besonders an der Mobilisierung für die Kampagne „Eine Million Unterschriften zur Änderung von diskriminierenden Gesetzen“ und für die „Kampagne zur Aufhebung der Steinigung“ deutlich. Dies sind nur Beispiele ihres Einsatzes. Die iranischen Frauenrechtlerinnen beziehen sich dabei auf internationale Resolutionen und Konventionen, die der Iran unterzeichnet hat und die den iranischen Staat zu ihrer Einhaltung verpflichten. Denn der Iran hat die Allgemeine Menschenrechtserklärung unterschrieben und sich damit verpflichtet, Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Dennoch legalisiert die Regierung jegliche geschlechtsspezifische Diskriminierung und die Ungleichberechtigung von Mann und Frau mit ihrer fundamentalistischen Interpretation des Islam. Die iranischen Frauen haben deutlich machen können, dass sie eine aktive Rolle in der Gesellschaft und in der Kultur des Landes spielen wollen. Sie werden insbesondere von der Gesetzgebung der Islamischen Republik als minderwertig betrachtet und dementsprechend behandelt. Diese Gesetze verhindern die freie Entfaltung der Persönlichkeit von Frauen und somit die Entwicklung der gesamten Gesellschaft.
In einer Zeit der dramatischen Zunahme von Spannungen und der Verschärfung von zwischenstaatlichen, ethnischen und religiösen Konflikten in großen Teilen der Erde macht die iranische Frauenbewegung gute Fortschritte und erreicht neue Horizonte in ihrem Kampf für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Demokratie. Sie hinterfragt die nationale, ethnische und religiöse Identität grundlegend und rückt damit die universellen Menschenrechte in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Dabei werden die Begrenztheit und Unzulänglichkeit von Begriffen wie „islamischen Menschenrechten“ deutlich gemacht. Unmissverständlich wird klar gestellt, dass der Islam als individuelle Glaubensvorstellung nicht die Negierung von Menschenrechten, von Freiheit, von Gleichberechtigung und von Demokratie bedeuten muss.
Die neue Frauenbewegung ist sich indessen bewusst, dass die kulturelle und religiöse Vielfalt nur im Rahmen der uneingeschränkten Akzeptanz und Anerkennung der Universalität von Menschenrechten gewährleistet werden kann.
Gegenwärtig ist die Frauen- und Frauenrechtsbewegung des Iran zur Zielscheibe eines mächtigen Unterdrückungsapparates geworden. Die Verhaftungen von Dutzenden aktiver Frauen unter fadenscheinigen und erfundenen Vorwürfen, wie Gefährdung der nationalen Sicherheit, hat nur eins im Sinne: Die Frauen zum Schweigen zu bringen und ihrem Kampf ein Ende zu bereiten. Unter den Bedingungen der politischen und informationellen Zensur ist es leider unmöglich, diese Unterdruckung im vollen Umfang einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Aufrufs unterstützen den Kampf der iranischen Frauenbewegung für einen demokratischen Iran.
* Dieses Schreiben wurde ursprünglich durch die Initiative von Chahla Chafiq (feministische Schriftstellerin), Karim Lahidji (Präsident der Liga für Menschenrechte) und Reza Moini (Mitarbeiter von Reporter ohne Grenzen) auf französisch verfasst!
In großer Solidarität:
1- Cathrin Adlers, Pädagogin
2- AG Frauen der Stiftung Umverteilen, Stiftung für eine solidarischen Welt: Elisabeth Bagana / Regina Wep / Ulrike Schätte / Annette C. Eckert / Young Sook Rippel / Mihan Rusta
3- Dr. Farideh Akashe-Böhme, Soziologin, Publizistin
4- Seyran Ates, Rechtsanwältin,
5- Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer, der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen
6- Katrin Behrmann, Rechtsanwältin, Hamburg
7- Prof. Gernot Böhme
8- Prof. Micha Brumlik
9- Dr. jur. Walter Burger, Rechtsanwalt
10- Martina Clauda, Pädagogin
11- Dr. Christoph Cobet, Pubilizist
12- Jutta Ebeling, Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt
13- Laura Gallati, Musikerin
14- Ulrike Gauderer, Justiziarin
15- Gabrielle Hermsdorf, Künstlerin
16- Mechthild Hirthe, Lehrerin
17- Bärbel Höhn ,Ministerin a.D.
18- Rita Kahl, Distriktvorsitzende SPD St. Georg, Hamburg
19- Ute Koczy, MdB
20- Matthias Küntzel, Politikwissenschaftler u. Publizist
21- Anna Lührmann, MdB
22- Nicole Maisch, MdB
23- Beate Menger, Dipl. Soz.
24- Gisela Mikuliz, Verwaltungsangestellte
25- Prof. Brita Rang
26- Claudia Roth, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
27- Christel Sanner, Pädagogin
28- Lutz Sikorski, Stadtrat Frankfurt
29- Helga Schulz, Steuer- und Frauenrechtlerin, Hamburg
30- TERRE DES FEMMES e.V
31- Prof. Christina Thürmer-Rohr
32- Rupert von Plottnitz, Minister a.D.
33- Renate Weim , Pädagogin,
34- Maren Westphal, Sonderpädagogin
35- Roland W. Hölzing, Personaltrainer
36- Wolf Wilberscheid, Energiewirtschaftler
37- Monika Wintermeyer, Dipl. Pädagogik
38- Turgut Yüksel, Stadtverordneter Frankfurt a.M, Koordinator
der Initiative der Säkularen und Laizistischen BürgerInnen aus islamisch geprägten Ländern in Hessen (ISL).
39- Inge Zahn, Hochschullehrerin
40- Prof. Dr. Peter Zahn
Zusätzliche Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten sind unter :
http://www.weforchange.info/spip.php?article19 zu erfahren.
Verantwortlich : Internationales Netzwerk zur Solidarisierung mit der iranischen Frauenbewegung
Kontakt: [iran.women.solidarity@googlemail.com->mailto:iran.women.solidarity@googlemail.com]