In der Sylvesternacht wurde die Kurdin Mizgîn Baytekin (18) von ihrem Mann Önder Baytekin (26), der sich erst seit einem Monat in Deutschland aufhält, erstochen und anschließend mit dem Auto mehrmals überfahren. Sie erlag ihren Verletzungen. Nach der Tat, stellte sich Önder Baytekin der Polizei. Heute wurde Mizgîn in Harsewinkel bei Gütersloh begraben.
Mizgîn, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, wurde 2007 mit Önder Baytekin, der ihr Cousin ist, zwangsverheiratet. Mizgîns Vater erklärte gegenüber ANF (Firat Nachrichten Agentur), dass dieser Vorfall „eine Lehre für uns alle“ sein soll. Weiter erklärte er, dass der Mord an Mizgîn aus Eifersucht geschehen sei und es keinen anderen Grund für den Mord gäbe.
Wir verurteilen die Tat. Verbrechen im Namen der Ehre finden auch hier in Deutschland zunehmend statt. Diese Verbrechen im Namen der Ehre müssen endlich aufhören. Wir verurteilen und hinterfragen. Mizgîns Vater erklärt, dass dieser Fall „uns allen eine Lehre sein soll“. „Wir“ sollen also daraus lernen, damit so etwas nicht mehr vorkommt. Er zeigt „Reue“. Wir fragen: Sind euch denn die Morde an Sezen, Zeynep, Güldünya und den vielen anderen Frauen, die aufgrund „eurer Ehre“ getötet wurden keine Lehre? Muss es die eigene Tochter sein, damit ihr bereut? Die Reue des Vaters ist weder glaubwürdig, noch aufrichtig. Warum betont der Vater besonders, dass Mizgîn aufgrund von „Eifersucht“ getötet wurde und hinter diesem Mord kein anderer Grund stehe? Will er damit der Öffentlichkeit erklären, dass Mizgîn „sauber“ und „unschuldig“ war und somit „zu Unrecht“ getötet wurde? Hätte Mizgîn also gegen die bekannten „gesellschaftlichen Normen“ verstoßen und sich nicht an diese gehalten, wäre sie dann zu Recht getötet worden? Heißt das also, dass der Vater in diesem Fall damit einverstanden gewesen wäre?
Aus Eifersucht, aus welchem Grund auch immer, das was Mizgîn angetan wurde, ist Grausamkeit. Kein Mensch, sei es der Ehemann, der Bruder, der Vater oder irgendeine andere Person hat das Recht, über das Leben und den Tod eines anderen Menschen zu entscheiden. Mizgîns Ehemann ist verantwortlich für diese Tat. Er ist schuldig. Aber nicht alleine. Genauso schuldig und verantwortlich sind diejenigen, die sie zwangsverheiratet haben. Verantwortlich sind alle diejenigen, die ihre Augen vor der Zwangsverheiratung verschlossen haben und ihre Stimme nicht dagegen erhoben haben. Schuldig ist die Mentalität, die die Frauen als Ehre und als eine Ware ansieht. Diese Mentalität ist es, die das Töten im Namen der „Ehre“ und der „Tradition“ legitimiert und als Recht des Mannes ansieht.
Wir werden gegenüber den Verbrechen an Aylin, Zeynep, Sezen, Güldünya und Mizgîn nicht
schweigen. Wir werden unsere Augen nicht verschließen. Wir sind niemandes Ehre. Unsere Ehre ist unsere Freiheit. Unsere Ehre, ist unser freier Wille und unser Kampf um Freiheit als Frauen und als Menschen. Wir hoffen, wir brauchen nicht noch mehr Mizgîns, um festzustellen, dass die Mentalität der „Ehre“ des rückständigen patriarchalen Systems eine Mentalität ist, die tötet. Wir Frauen werden unseren Kampf aus unseren eigenen Reihen verstärken, damit es nicht noch mehr Mizgîns geben wird. Unsere Kampagne „Wir sind niemandes Ehre – Unsere Ehre ist unsere Freiheit“, die wir im November 2008 gestartet haben, werden wir in diesem Sinne mit starker Überzeugung angehen. Denn nur so können wir die Mentalität der „ehrenvollen“ Männer auf den Straßen, deren Ehre die „ehrlosen“ Frauen in den Gräbern sind, überwinden.
Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. – Cenî –