Wo ist meine Stimme? Demokratiebewegung im Iran

Gibt es noch die „grüne Demokratiebewegung“ im Iran, die letztes Jahr weltweit durch die Medien ging? Wirkt sich die Revolte in Tunesien auch auf den Iran aus? Welche Bedeutung haben die neuen Medien wie Internet und soziale Netzwerke wie Facebook für die Proteste? Wie sollen sich die deutsche Politik und die internationale Gemeinschaft gegenüber dem undemokratischen Regime im Iran verhalten? Gibt es eine neue Kriegsgefahr?

Diese Fragen diskutierten kompetente Experten im Rahmen einer gut besuchten Veranstaltung am Samstag, den 22.01.2011 in Aachen.

Die Aachener SPD, das Deutsch-Iranische Forum Aachen (DIFA) und das Iranische Kulturzentrum Rahaward hatten zur Diskussion dieses Themas eingeladen, das vor allem viele Deutsch-IranerInnen, die Angehörige und Freunde im Iran oder sogar in iranischen Gefängnissen haben, umtreibt. Doch auch für die SPD Aachen gehören die Fragen von Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechten zu ihren grundlegenden Zielen und Anliegen.

Zunächst eröffnete der NRW-Landtagsabgeordnete Karl Schultheis, SPD-Vorsitzender in Aachen, die Veranstaltung. In seiner Begrüßungsrede erinnerte dieser an die seine Aktivitäten während des Studiums gegen Schah-Diktatur und stellte fest, dass die Missachtung der Menschenrechte, Folter und Terror trotz Regimewechsel immer noch auf der Tagesordnung im Iran stehen.

Die SPD Aachen und seine Person hätten Solidarität und große Hochachtung vor dem iranischen Volk und möchten dies mit dieser Veranstaltung und ähnlichen Aktionen immer wieder bekräftigen. Er bedankte sich beim Rahaward Kulturzentrum und Deutsch-Iranischen Forum (DIFA) für die aktive Mitwirkung zur Durchführung dieser Veranstaltung und wünschte sich mehr Engagement im Internationalismus, wo die Wurzel der SPD läge.

Das Moderationsteam (SPD und DIFA) bat zunächst die Vertreter beider anderen Veranstalter, sich mit ihren Begrüßungsansprachen an das Publikum zu wenden:

Während Vertreter des Rahaward Kulturzentrums die Entstehungsgeschichte und Fortentwicklung des Zentrums mit seinen Aktivitäten vorstellte, brachte der Vertreter des DIFA u.a. Folgendes zum Ausdruck:

Sehr geehrte Damen und Herren

Liebe Freundinnen! Liebe Freunde,

Im Namen des Vorstandes des Deutsch-Iranischen Forums Aachen begrüße ich Sie ganz herzlich zu dieser Veranstaltung.

Wir möchten uns ganz herzlich beim Vorstand der SPD – Stadt Aachen bedanken, der in enger Kooperation mit uns und dem Iranischen Kulturzentrum Rahawrad diese Veranstaltung ermöglicht hat.

Wir als Demokraten sind der Ansicht, dass das Schweigen gegenüber der Repressionen in der Islamischen Republik Iran eine Missachtung der Grundsätze und Ideale der Menschenrechte und der Demokratie bedeutet. Daher begrüßen wir jede Initiative, gemeinsame Informationsveranstaltungen durchzuführen.

Gleichzeitig möchten wir unsere Mitwirkung bei allen Aktivitäten anbieten mit dem Ziel, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen BürgerInnen und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland und des Iran zu pflegen und zu vertiefen.

Unser Forum befasst sich ferner mit der gesellschaftlichen Integration der Iran-stämmigen in Aachen und will dadurch zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland beitragen.

Wir hoffen, wir werden Sie in Zukunft zu anderen Veranstaltungen des Deutsch-Iranischen Forums Aachen begrüßen. Wir möchten mit Ihnen gemeinsame Projekte realisieren, diskutieren, aber auch feiern und wandern.

Besuchen Sie unsere Website oder sprechen Sie uns an!

Danach ergriff der erste Podiumsgast das Wort. Dr. Peyman Javaher-Haghighi, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hildesheim, Fachgebiete Internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Naher und mittlerer Osten und Integration!
Er ist Autor mehrerer Publikationen über den Iran darunter: „Iran, Mythos und Realität“, „۲۰۰۸ und demnächst: Sehnsucht nach Freiheit“ , „Aufstieg der Demokratiebewegung im Iran“, voraussichtlich Ende Feb. 2011.

Er versuchte in seinem ersten Statement den Begriff „Grüne Bewegung“ als eine soziale Protestbewegung hervorzuheben, die sich nicht mehr gefallen lassen will, dass die Herrschenden sogar die in der Verfassung der islamischen Republik verankerten Bürgerrechte ignorieren und die Proteststimmen brutal zum Verstummen brachten.

Gleichzeitig hob er die besondere Rolle der Jugend als eine der wichtigsten treibenden Kräfte dieser Bewegung hervor.

Er erläuterte, dass durch Internet, facebook und you tube-Videos weltweit „ein anderes Bild“ über den Iran vermittelt wurde – trotz der dort herrschenden Pressezensur.

Die Frage, ob es noch die Grüne Bewegung im Iran gebe, beantwortete ich mit einem klaren Ja!, auch wenn die Formen des Protests bedingt durch die Repressalien des Regimes anders zum Vorschein kommen. Er unterstrich, dass mindestens 130 Todesopfer und 5000 Inhaftierungen, nur in Zusammenhang mit dem Protest des Volkes gegen den Wahlbetrug in Juni 2009 die Brutalität des Regimes offenbaren.

Er stellte ferner klar, dass die Bewegung sich in der Anti-Haltung gegen das Regime einig ist. Darüber hinaus konstatierte er, dass verschiedene Kräfte mit gemeinsamen Zielen die Oppositionsbewegung ausmachen, sich aber in ihren Strategien sich zum Teil sehr unterscheiden!

Die 2. Rednerin war die Soziologin Mihan Rusta, die als Exil-Iranerin in Berlin lebt! Sie ging der Frage nach, warum gerade so viele Frauen und Studierende sich aktiv in der iranischen Demokratiebewegung engagieren.

Sie versuchte die Rolle der Religion bei der Bewegung und bei der Regierung zu analysieren und ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Als 3. Podiumsgast war der Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Rolf Mützenich, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und in der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe, war zuversichtlich: „Die Menschen sind heute durch die neuen Medien gebildeter – kein Regime kann das ändern“. Für die internationale Gemeinschaft und die deutsche Politik stellte er die Gratwanderung dar: Sanktionen und Drohungen sind wichtige Signale, können jedoch auch die falschen, nämlich die breite Bevölkerung treffen. Hier seien gerade der Dialog mit den Reformkräften und auch der neue Kurs von US Präsident Obama wichtig.

Er befasste sich mit der Rolle der internationalen Gemeinschaft und der westlichen Medien im Iran bzw. für den Iran.

Ferner versuchte er als Kenner Irans und einen der wenigen ausländischen Politiker, die das berüchtigte Evin-Gefängnis von innen sehen durften, seine Sicht über die richtigen Strategien für die internationale Gemeinschaft: Embargo – Sanktionen – Drohungen – Verhandlungen darzulegen.

Währenddessen sprach er sich für eine friedliche Lösung des Konfliktes aus und gemeinsam mit den allen anderen Podiumsgästen und unter anhaltenden Applaus des Publikums plädierte er dafür, dass man aus den Erfahrungen im Irak und Afghanistan lernen und keinen neuen Krieg gegen den Iran beginnen möge.

Bestandteile dieser Politik könnte Zuckerbrot oder Peitsche im Umgang mit der Regierung und Unterstützung der Opposition insbesondere im Iran selbst sein. Er befasste sich außerdem mit der Frage:
Wie fest sitzt die iranische Führung noch im Sattel? Was kann deutsche Politik konkret tun und was die SPD gegenüber dem Regime im Iran? Und was können wir als Zivilgesellschaft tun?

Die Veranstaltung zeigte auch, dass es bei aller Einigkeit im Protest gegen das iranische Regime, Unterschiede bei den langfristigen Zielen gibt. Mihan Rusta und Dr. Peyman Javaher Haghighi unterschieden hier zwischen den durchaus islamisch orientierten Anhängern von Mussawi einerseits und den säkular orientierten Reformkräften andererseits. Einig ist man sich aber darin, dass die Forderung nach Meinungsfreiheit, freien Wahlen und Demokratie die zunächst und wohl auch langfristig wichtigste Zielsetzung ist – und sich in dem Slogan ausdrückt „Wo ist meine Stimme?!“

Abschließend bedankte sich das Moderationsteam bei allen Veranstaltern, Podiumsgästen und Publikum und hoffte bald mit ähnlichen Veranstaltungen seinen Beitrag zur Unterstützung des iranischen Volkes zu leisten.

Bericht: H. Ghaei

Fotos: Jürgen JAnsen

Maryam Aliakbari

http://www.difa-aachen.de/iran/316-wo-ist-meine-stimme-.html

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