Frage: „Wir hören Berichte, nach denen Aktivistinnen der Frauenbewegung verhaftet werden und zudem harte Urteile bekommen. Warum reagiert die Regierung auf sehr natürliche Forderungen auf diese Art und Weise?“
Simin Behbahani: „Leider muss man sagen, dass es wahr ist. Seit der Revolution sind 28 Jahre und neun Monate vergangen. Seitdem haben wir es mit diesen Kämpfen und unerträglichem Druck zu tun: Gefängnisaufenthalt, Hinrichtungen, Märtyrertum. Es fehlen die nötigen Dinge, die wir für ein relativ ruhiges Leben brauchen. Der psychische Druck und all die Gründe, die unseren Geburtsort in eine Hölle verwandelt haben, lasten auf den Schultern unseres Volkes. Aber dieses geduldige Volk hat Widerstand geleistet und wird es auch weiterhin tun. In der Hoffnung, dass es eines Tages einen Schritt unternimmt, damit seine Sorgen ein Ende nehmen.“
Frage: „Was bedeutet der Kampf gegen Bad-Hejabi, gegen die schlechte Verschleierung der Frauen? Worin besteht der Zusammenhang mit der Unterdrückung der Frauenbewegung?“
Simin Behbahani: „Was soll eigentlich schlechte Verschleierung bedeuten? Gute Verschleierung bedeutet nur die Bindung von Händen und Füßen der Frauen und die Verhinderung ihrer Bildungschancen. Was soll das alles? Männer und Frauen sollten frei sein sich so zu kleiden, wie sie es wollen. Wenn sie sagen: „Dein Hejab ist deine Würde“ oder „deine Keuschheit“: das ist alles mehr als bedeutungslos. Ich glaube, dass Frauen, ob Muslime oder nicht, keinen Chador, Schleier, oder sonstige Tücher zur Kopfbedeckung brauchen. Eine Frau, die einen ‚guten’ Hejab trägt, kann im übrigen viel besser Verursacher von Sittenverderbtheit werden. Warum sollten die Mädchen nicht so erzogen werden, dass sie erst gar nicht an Unkeuschheit denken? Und warum sollen die Männer nicht so viel Würde und Selbstbewusstsein haben, dass sie nicht immer das Schlimmste von Frauen denken? Hejab [Kopfbedeckung] bedeutet eine direkte Beleidigung von Frauen und von Männern. Basta!“
„Frage: Wie können wir die Frauenbewegung effektiv unterstützen?“
Simin Behbahani: „Es geht um die Bewusstwerdung der Frauen über ihre selbstverständlichen Rechte. Die Frauen müssen ermutigt werden sich Wissenschaften anzueignen. Sie müssen ermutigt werden eine Einheit zu bilden und sich gegenseitig zu unterstützen. Frauen fordern die Einhaltung der Menschenrechte sowie die Notwendigkeit der Einhaltung der emanzipatorischen Rechte, ferner empfehlen sie die Vermeidung von Rachegefühlen, von Hassgefühlen und Standhaftigkeit gegen Unsensibilitäten bis die Menschenrechte gänzlich verwirklicht worden sind.“
„Frage: „Wie beurteilen Sie die Errungenschaften der Kampagne für eine Million Unterschriften? Würde die iranische Regierung auf die Forderungen der Frauen eingehen, wenn eine Million Unterschriften gesammelt würden?“
Simin Behbahani: „Eine sehr gute Aktion. Ich hoffe, dass eine Rekordzahl an Unterschriften gesammelt wird. Zudem muss ich betonen, dass der lange Atem dieser Aktion wichtig ist, die die Frauen ermutigt und bewegt. In Wirklichkeit lädt die Aktion zu glücklichem und hoffnungsvollem Leben ein. Ich sage nicht, dass die Aktion Wunder vollbringen wird. Mindestens aber wird sie die Lampe der Aufklärung hell leuchten lassen.“
Einige Aktivistinnen dieser Kampagne sitzen im Gefängnis
Frage: „Welche Rollen haben die persischsprachigen Medien und Agenturen im Exil? Welche Rolle spielen sie besonders in Zusammenhang mit der Widerspiegelung der Frauenkämpfe?
Simin Behbahani: „Sie haben dieselbe Rolle, wie die Luft bei der Vermittlung von Stimmen. Wenn Sie eine Glocke in einem luftleeren Raum bewegen, hört man sie nicht klingen. Die Verantwortlichen dieser Medien müssen mit Verantwortung und Aufrichtigkeit die Nachrichten vermitteln.“
Frage: „Obwohl die Frauenbewegung im Iran große Schritte unternommen hat und auch sehr gewachsen ist, könnte es noch sehr lange dauern, bis eine breitere Bewegung daraus entsteht. Welche Hindernisse würden Sie benennen?“
Simin Behbahani: „Es gibt viele Hindernisse und alle können gar nicht aufgezählt werden. Die zivilisierte Welt hat heute die meisten Barrieren aufgehoben. Und Sie sehen dass dort Frauen und Männer die gleichen Voraussetzungen haben und Frauen können auch die höchsten Ebenen der Gesellschaften erreichen und diese verwalten.
In unserem Land haben die Frauen ihre Würde bewiesen. Die Aufstände iranischer Frauen haben in Hinblick auf die Forderungen nach gleichen menschlichen Rechten in Wellenbewegungen und zum Teil schon lange vor den Bewegungen in manchen westlichen Staaten begonnen. In manchen östlichen Staaten gibt es vielleicht sogar mehr Barrieren als in unserem Land. Vielleicht fühlen sich die Frauen dieser östlichen Gesellschaften noch mehr den ungleichen Gesetzen verpflichtet.
Aber die iranischen Frauen haben mitnichten die männlichen Vorrechte akzeptiert. Die iranischen Frauen werden mit Gewalt gezwungen zu gehorchen. Sie tun es nicht aus Freude und nicht freiwillig.“