„Frauenmord ist unser natürliches Recht“
Die Frauenrechtlerin Marjan Leqai hat die iranischen Zeitungen für den Zeitraum von einem Jahr analysiert. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass im letzten iranischen Jahr, das am 20. März 2008 zu Ende ging, 102 „Gattenmorde“ begangen wurden, in denen entweder Männer ihre Ehefrauen oder Frauen ihre Ehemänner getötet haben. Diese Zahlen widerspiegeln jedoch nur bedingt die Realität des Problems, denn offizielle Zahlen gibt es darüber nicht.
Marjan Leqai hat das erste Kapitel ihrer Arbeit in Anlehnung an die staatliche Parole „Das Atomprogramm ist unser natürliches Recht“ auf ein soziales Problem umgemünzt: „Frauenmord ist unser natürliches Recht“.
Die Frauen, die von ihren Männern getötet werden, seien Frauen, denen vorgeworfen würde, eine uneheliche Beziehung geführt zu haben. Der Ehemann betrachte dabei die Tötung seiner Frau als sein natürliches Recht.
Die getöteten Frauen gingen zu Lebzeiten davon aus, dass sie mit „weißen Kleidern in das Haus ihrer Ehemänner eintreten und mit weißen Kleidern das Haus wieder verlassen müssten, so wie ihre Mütter ihnen dies als Landessitte beigebracht haben.
Leqai schreibt, wenn Frauen jedoch keine Kraft mehr haben zu gehorchen, würden sie von Männern getötet.
Marjan Leqai berichtet, sie habe einst den Mörder einer Frau gefragt, warum er denn nicht seine Frau verlassen habe, und habe darauf die Antwort erhalten: „Ich musste sie kontrollieren. Eine ungehorsame Frau muss getötet werden.“ Diese Meinung habe auch der Vater der getöteten Frau vertreten.
Frauen, die ihre Ehemänner töten
Es gebe aber auch Frauen, die ihre Ehemänner töten oder die jemanden beauftragen den Ehemann zu töten. Leqai schreibt: „Wenn diese Frauen auf der Tribüne des Gerichts stehen, um ihre Schmerzen auszurufen, sind sie mit Männern konfrontiert, die sie in der Kleidung eines Richters, aber mit einer patriarchalischen Haltung verurteilen. Die Frauen können sich nicht verteidigen. Ihre Verteidigung ist eine Anklage gegen eine Gesellschaft, die von Männern beherrscht wird und frauenfeindliche Gesetze besitzt.“ Es gebe keine Richterinnen im Iran. Daher könne auch nicht nachvollzogen werden, was die vermeintlichen Verbrecher zu sagen haben.
Ein Richter könne nicht verstehen, was es bedeutet einer weinenden Frau ihr Kind weg zu nehmen, das sie geboren hat. Ein Richter könne nicht verstehen, was es bedeute, in der Gesellschaft schutzlos wie eine Frau zu sein. Ein Richter könne eine Frau nicht verstehen, die in ihrem gesamten Leben geschlagen worden sei, wenn er ihr Todesurteil ausspricht, damit es eine Lehre für alle lebenden Frauen sei.
Die meisten Frauen, die ihre Ehemänner töten, setzen Gift ein oder sie beauftragen jemanden den Ehemann zu töten. Die Mörder seien meistens Männer, die eine Beziehung mit den Frauen haben. Solche Frauen würden wissen, dass kein gutes Ende auf sie wartet, dennoch würden sie sich mit solchen Methoden rächen.
Blutiger Protest gegen die herrschenden Gesetze
Leqai geht zu Recht davon aus, dass wenn die Verhältnisse, in denen die Frauen, die ihre Ehemänner getötet haben, untersucht werden, man sicher entdecken könne, was für ein bitteres und unterdrücktes Leben sie geführt haben. Leqai ist der Meinung, dass die „Gattenmorde ein blutiger Protest gegen die herrschenden Gesetze“ seien.
Tatsache ist, dass die Gesetze der Islamischen „Republik“ Frauen diskriminieren. Daher schreibt Marjan Leqai, dass „nicht nur die Frauen Opfer einer bitteren Gewalt sind, die die Gesellschaft beherrscht, , sondern auch die nächste Generation.“
Die herrschenden Scheidungsgesetze seien Schuld an vielen der Ermordungen von Ehemännern durch ihre Ehefrauen. Es seien Racheakte von Frauen, die unter schwerem psychischem Druck stünden. Die billigste Trennung einer Frau von ihrem Mann sei der Rachemord, auch wenn der Preis dafür letztlich sehr hoch sei.
Leqai berichtet über eine Frau, die sie persönlich kennen gelernt habe. Leqai habe sie gefragt, warum sie ihren Mann getötet habe, warum sie sich nicht von ihm getrennt habe. Die Frau habe geantwortet: „Ich hätte einige Jahre rennen müssen, um mich von einem Mann zu trennen, den ich nicht liebte. Ich hätte mich einige Jahre beleidigen und erniedrigen lassen müssen. Ich hätte dazu schweigen müssen. Ich wollte leben, auch wenn es sich nur um wenige Stunden handeln würde.“
Scheidung als Niederlage
Leqai schreibt, Männer würden eine Scheidung als eine Niederlage empfinden. Für Männer mit wenig Bildung sei die Scheidung eine Ergebung gegenüber der Frau. Eine Frau sei das „selbstverständliche Recht eines Mannes.“ Männer seien nicht bereit ihre Machtposition aufzugeben.
Frauen dagegen bevorzugten die Ermordung des Mannes, wenn sie keine Möglichkeit sehen würden sich scheiden zu lassen. Frauen, die ihre Ehemänner töteten, stammen aus unteren Schichten. Es seien Frauen, die nach Liebe suchen, aber zu Mörderinnen werden. Eigentlich suchen diese Frauen nur Freiheit und Selbstbestimmung, um zu lieben, ohne erniedrigt zu werden.
Keine Ware
Leqai schreibt, dass die Frauen keine Ware für Männer seien. In der iranischen Gesellschaft, in der unter bestimmten Voraussetzungen, die Frauen als „Mahdur al dam“ als „todeswürdig“ von ihren Männern getötet werden dürfen, gäbe es für Frauen keine Sicherheit. In einer Gesellschaft, in der Männer gewalttätig sein dürfen, wundere man sich auch nicht, wenn die Zahl der Ehefrauenmorde steige. Genauso könne erwartet werden, dass die Zahl der Gattenmorde steige, die als Proteste gegen ein Gewaltsystem gelten, die die Gesetze ihnen aufzwingen.
Solange die Frauen nicht als Bürgerinnen betrachtet werden, würden die Frauenmorde fortgesetzt werden. Abschließend schreibt Leqai, die Frauen würden ihren „lautlosen Protest ohne Parolen fortsetzen und den Männern widerstehen und die große Entschädigung für diesen Widerstand müssen die patriarchalischen Gesetzgeber zahlen.“