Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Freunde,
Ich schreibe Ihnen, um Sie vor meiner bevorstehenden Reise in den Iran, an den politischen Morden im Herbst 1998 zu erinnern.
Meine Eltern, Parvaneh und Dariush Forouhar, zwei führende oppositionelle Politiker, die seit Jahrzehnten für eine demokratische Gesellschaftsordnung und für die Trennung vom Religion und Staat gekämpft hatten, waren die ersten Opfer dieser Kette von Morden.
Weitere Opfer dieser politischen Verbrechen waren Mohammad Mokhtari und Mohammad Djafar Pouyandeh, zwei Mitglieder des Schriftstellerverbandes, die politischen Aktivisten Madjid Sharif und Pirouz Dawani und der Dichter Hamid Hadjizadeh, zusammen mit seinem zehnjährigen Sohn, Karoun.
Sie waren nicht die ersten Opfer in der langen Reihe der politischen Morde in Iran. Bereits Jahre zuvor wurden Dissidenten, die sich aktiv für Meinungsfreiheit eingesetzt hatten, innerhalb und außerhalb Irans, Opfer dieser organisierten staatlichen Gewalttaten, durch deren stets wiederkehrendes Muster der Brutalität, die iranische Opposition ein Leben im Schatten des Schreckens führen musste.
Kurz nach den Verbrechen im Herbst 1998 und erst unter massiven öffentlichen Druck im In- und Ausland wurde die Verwicklung des Informationsministeriums der Islamischen Republik Iran in den politischen Morden offiziell eingeräumt. Als Folge darauf keimte die Hoffnung auf, dass der systematische Machtmissbrauch der Staatsgewalt gegenüber Andersdenkenden im Iran aufgedeckt werden könnte. Doch diese Hoffnung versickerte im Sumpf der Vertuschungspolitik der iranischen Justiz. Ganz im Gegenteil. Es folgten Verhaftungen und Repressalien gegen jene, die sich für die Aufklärung der Verbrechen eingesetzt hatten.
Nun sind seit dieser Zeit 12 Jahre vergangen! 12 Jahre des Erinnerns an eine Reihe nicht aufgeklärter politischer Verbrechen! 12 Jahre des Beharrens auf das Recht auf Wahrheit und Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit!
Wie jedes Jahr werde ich auch in diesem November aus Anlass des Todestages meiner Eltern in deren Haus in Teheran zurückkehren, wo sie einst gelebt, gearbeitet und gegen die Diktatur Widerstand geleistet hatten und wo sie am Ende auf bestialischer Weise, durch zahlreiche Messerstiche, ermordet wurden.
Seit sechs Jahren wird uns verboten, am Todestag meiner Eltern eine Gedenkversammlung abzuhalten. Dieses Verbot wird unter massivem Einsatz der Sicherheitskräfte, die mein Elternhaus zu einer Art Quarantänegebiet erklären, durchgesetzt.
Doch Anlässe wie dieser Gedenktag haben Symbolcharakter. Sie bündeln auch immer die Hoffnungen und Visionen derer, die sich für eine demokratische Veränderung einsetzen. Aber die Kräfte, die diesen Veränderungen im Wege stehen greifen immer häufiger zur brutalen Gewalt um die wachsende Widerstandsbereitschaft zu brechen. Es herrscht eine Situation der erhöhten Repression, in der die Aktivisten schikaniert, geschlagen, verschleppt und zur Selbstverleugnung gezwungen werden.
In dieser Situation wird die internationale Unterstützung zur Durchsetzung der Menschenrechte dringend gebraucht. Die Unterstützung dieser weltweit gültigen Forderungen nach der Wahrung der Menschenwürde ist nicht nur eine Hilfe für eine bedrängte Nation, sondern auch ein gemeinsamer Kampf für die Verteidigung gemeinsamer universeller Werte und Rechte.
In diesem Sinne möchte ich Sie an das Andenken meiner Eltern erinnern, die für diese Werte und Rechte eingestanden haben.
Mit freundlichen Grüssen
Parastou Forouhar
Ich bitte um Weiterleitung an Ihre interessierte Freunde und Bekannten!
vom 12. bis 27. November bin ich in Teheran und habe keinen Internetzugang.