Eine Gesetzesvorlage zum islamischen Strafgesetz beschäftigt das islamistische „Parlament“. Weder die Steinigung soll abgeschafft werden, noch die Todesstrafe für Kinder. Eine Erweiterung der Todesstrafe für Prophetenbeleidigung ist vorgesehen.
Der Karikaturenstreit in Dänemark wird offenbar die Erweiterung der iranischen Strafgesetzgebung beeinflussen, sagt Soheila Wahdati, eine in den USA lebende Menschenrechtsaktivistin und Journalistin. Denn in der neuen Gesetzesvorlage ist für „Abtrünnigkeit, Beleidigung der religiösen Heiligtümer und Zauberei“, sowie für „Prophetenbeleidigung“ die Todesstrafe vorgesehen. Falls das Gesetz durchkommt, was sehr wahrscheinlich ist, werden iranische Gerichte in Zukunft die Todesstrafe für „Prophetenbeleidigung“ aussprechen dürfen.
Vorweg: Körperamputation, Steinigung und die Todesstrafe auch für Minderjährige sind seit der Gründung der Islamischen „Republik“ Iran Teil der staatlichen Gesetzgebung, trotz internationaler Proteste. Auch die Strafmündigkeit der Kinder bleibt. Nach Artikel 141-1 der neuen Gesetzesvorlage ist ein Junge mit 15 Jahren und ein Mädchen mit neun Jahren volljährig und damit strafmündig. Das Heiratsalter der Mädchen wurde vor mehreren Jahren auf 13 Jahren erhöht. Mit der Erlaubnis des Vaters und eines muslimischen Richters können dennoch neunjährige Mädchen verheiratet werden. Dies ist eine Bestätigung des in den letzten 29 Jahren vorherrschenden Strafgesetzes. Demnach können Kinder unter 18 Jahren weiterhin hingerichtet werden.
Wenn die Gesetzesvorlage verabschiedet wird, gilt sie als ein Dauergesetz, das nicht mehr einfach im Rahmen der Islamischen „Republik“ Iran revidiert werden kann.
Der männliche Schwur ohne Beweisführung und die Todesstrafe
Soheila Wahdati schreibt, dass die neue Gesetzesvorlage eine „ernste Gefahr für die Sicherheit des Lebens der iranischen Bürger bedeutet.“ In dieser Gesetzesvorlage seien neue Gründe und Vorwände für Todesstrafen definiert worden, wie zum Beispiel für „Abtrünnigkeit, Beleidigung der religiösen Heiligtümer und Zauberei.“ Im übrigen sind in der gegenwärtigen islamischen Strafgesetzgebung Kreuzigung, Abschneiden zuerst der rechten Hand und dann des linken Fußes vorhanden.
Der Richter braucht nach Artikel 213-1 weiterhin keine Beweise für die Begründung eines Todesurteils. Ein negativer Eindruck, den der Richter von dem Angeklagten erhält, reicht aus, um eine Todesstrafe auszusprechen. Das Todesurteil kann demnach von „Gefühl und Sichtweise des Richters“ abhängen. Zeugen sind weiterhin nicht zwingend erforderlich. Schließlich brauchen auch Zeugen keine wirklichen Beweise zu liefern.
Im Falle des Mangels an Beweisen kann der muslimische Kläger nach Artikel 314-9 Familienangehörige als Zeugen vorladen lassen. Als Beweisführung reicht ein Schwur. Im islamischen Vergeltungsgesetz, „Qissas“, kann der Kläger im Falle eines unbeabsichtigten Mordes 25 männliche Familienangehörige als Zeugen vorführen, die schwören, dass der Kläger Recht hat. Und wenn der Kläger nicht so viele männliche Familienangehörige hat, reicht es aus, wenn der Kläger selbst 50 Mal schwört, dass er die Wahrheit sagt.
Soheila Wahdati gibt zu bedenken, dass, während in westlichen Staaten DNA-Tests eingeführt werden, das Prinzip des männlichen Schwurs ohne Beweisführung im heutigen Iran ausreichend ist, um einen Menschen hinzurichten.
Wenn das Geld nicht reicht, hilft der Staat, die Hinrichtung auszuführen
In Artikel 323-22 wird ein Fall beschrieben, in dem die Eltern des Ermordeten eine bestimmte Summe an die Angeklagten oder an die Verwandten der Angeklagten zahlen müssen, damit der Angeklagte tatsächlich auch hingerichtet wird. Falls die Familie des Ermordeten dieses Geld nicht hat und der Richter die Hinrichtung des Mörders unter allen Umständen befürwortet, kann der Staatsanwalt aus dem Staatsfiskus Geld nehmen, das Blutgeld zahlen und den Angeklagten hinrichten lassen.
Tatsächlich können Menschen viele Jahre nach einer Tat hingerichtet werden. Eine Vergeltungsstrafe verjährt nach der islamischen Gesetzgebung des Iran nicht. Zudem können einfache kriminelle Vergehen wie Diebstahl, bei Wiederholungen mit der Todesstrafe geahndet werden. Nach Artikel 216-2 kann im Falle der wiederholten Straftat die Todesstrafe ausgesprochen werden.
Nach Artikel 323-24 darf der Hingerichtete nicht verstümmelt worden sein. Das Erhängen eines Menschen, Körperamputationen oder das Auspeitschen gelten aber nicht als Verstümmelungen. Wenn der Ankläger oder die Eltern des Ermordeten den Mörder verstümmeln, bekommen sie lediglich drei bis sechs Monate Gefängnisstrafe (Artikel 323-24).
Mahdur al-Dam ist jemand, der nach islamischem Gesetz die Todesstrafe verdient hätte. Wenn jemand einen Madur al-Dam, dessen Schuld nachweisbar sei, tötet, wird er nicht verurteilt. Wenn aber jemand nur annimmt, einen Mahdur al-Dam getötet zu haben und keinen Beweis liefert, reicht sein Glaube einen Mahdur al-Dam getötet zu haben, um nur drei bis fünf Jahre Gefängnisstrafe für einen vorsätzlichen Mord zu bekommen.
Kürzlich wurden die Mörder von zwei Jugendlichen frei gesprochen, weil die Getöteten das islamische Gesetz verletzt haben sollen. Der Richter glaubte den Mördern, dass die Getöteten Mahdur al-Dam waren. Faktisch sind Tötungen, die unter dem Begriff Mahdur al-Dam begangen werden, willkürliche staatlich legitimierte Hinrichtungen, schreibt Soheila Wahdati zu Recht.
Gewissens- und Meinungsfreiheit als Anlass für die Todesstrafe
Sogenannte Haddstrafen sind nach Artikel der 211-12 „Haq ul-llahi“, das heißt von Gott befohlenen Gesetze, die auch heute ihre Gültigkeit haben. Einige „Vergehen“ werden in der neuen Gesetzesvorlage neu definiert, beispielsweise werden Gründe für die Hinrichtung von Andersdenkenden aufgeführt:
Nach Artikel 224-1 steht die Prophetenbeleidigung [Sab el Nabi] unter Strafe. Auch „Abtrünnigkeit, Zauberei und Bedat-garai“ verdienen nach der neuen Gesetzesvorlage die Todesstrafe. Bedat-garai bedeutet Innovationen, neue Weltanschauungen und prinzipiell neue Ideen, die den herrschenden Prinzipien widersprechen. Unter Artikel 225-11 kann nachgelesen werden, dass „jeder Muslim, der eine Erneuerung in der Religion erfindet, […] als Abtrünniger gilt.“ In dieser Form ist dieser Artikel neu.
„Abtrünnige“, die muslimische Eltern haben und konvertieren wollen, verdienen nach dieser staatlichen Gesetzesvorlage die Todesstrafe. Dies war auch in der bisherigen Gesetzgebung der Fall. Neu ist, dass die Interpretationsmöglichkeiten des Richters zum Nachteil der Andersdenkenden und Andersgläubigen größer geworden sind.
Denn nach Artikel 225-4 gibt es zwei Formen von Abtrünnigkeit: Mortade Fetri [Geborener Abtrünniger] und Mortade Melli [Nationaler Abtrünniger]. Mortade Fetri ist ein Abtrünniger, der mindestens einen muslimischen Elternteil hat und plötzlich neue Ideen verfolgt, die den islamischen Gesetzen widersprechen. Sogar neunjährige Mädchen und fünfzehnjährige Jungen, die sich von einer nicht-islamischen Idee angesprochen fühlen und daran festhalten, verdienen nach diesem vermeintlichen Gottesgesetz die Todesstrafe.
Mortade Melli ist nach Artikel 225-5 der Abtrünnige, der keine muslimischen Eltern hatte, Muslim wird und später aus dem Islam wieder austritt. Mortadde Melli ist auch derjenige, der einen muslimischen Elternteil hat, der als Erwachsener „so tut, als ob er Muslim wäre“ und dann blasphemisch wird. Auch er „verdient“ die Todesstrafe. Während eine Mortade fetri nach Artikel 225-7 die Todesstrafe ohne Einschränkung bekommen soll, will man dem Mortade Melli nach Artikel 225-8 drei Tage Zeit geben, um zu „bereuen“. Wenn er/sie nicht bereut und an seinem Glauben festhält, wird die Todesstrafe verhängt. Das ist nichts anderes als ein Gesetz der Zwangsislamisierung von Menschen, die vom Islam abkehren wollen.
Apostasie war Wahdati zufolge in den achtziger Jahren kein offizielles Verbrechen, auch wenn viele deswegen hingerichtet wurden. Nun wird Apostasie rechtlich untermauert und wird mit der Todesstrafe belegt. Artikel 225-10 zufolge bekommen die Frauen einen Pluspunkt, wenn sie abtrünnig werden. Sie können demnach von der Todesstrafe verschont bleiben, aber dafür eine Dauerhaftstrafe bekommen. Sie würden auch „islamische Führung“, Erschad, also Extraschulungen erhalten, und falls sie bereuen, könnten sie sofort entlassen werden. Ein solcher Habitus führt sicher nicht zur Gleichberechtigung der Geschlechter.
Nach Artikel 225-12 würde ein Muslim, der mit „Zauberei“ zu tun hat und eine „neue Sekte“ gründet, die Todesstrafe bekommen. Auch diese Gesetzesvorlage ist neu. Nach Artikel 12-7 bis 121-10 können Bürger, verhaftet, verbannt, körperlich gezüchtigt werden oder Geldstrafen erhalten, wenn sie „die gesellschaftlichen Interessen“ missachtet haben. Somit bekommen die Gerichte freie Hand, um willkürlich zu handeln.
Steinigung bleibt in der iranischen Strafgesetzgebung
Das Gesetz der Steinigung [Rajm] soll bleiben und ist in Artikel 221-5 enthalten. Nur falls in einem international bekannt werdenden Fall die Ausführung der Steinigung dem Ruf der Islamischen Republik schaden würde, könnte im Einzelfall darauf verzichtet werden, wobei gleichzeitig betont wird, dass die Regierung dem Druck des Westens nicht nachgebe.
Staatlich und religiös legitimierte Verheiratung von Kindern
In Artikel 423-86 geht es um die Behandlung von Mädchen. Demnach ist es theoretisch möglich, dass ein Mädchen ab dem 9. Lebensjahr mit der Erlaubnis des Vaters und ohne seine Zustimmung an einen dreißigjährigen Mann verheiratet wird. Eine solche Ehe darf vollzogen werden und ist religiös legitimiert. Wenn aber das Mädchen infolge des aggressiven Sexualverkehrs Opfer einer Vergewaltigung wird und der Fall eines „Fistula“ [perianale Fistel] eintritt, dann müsse der Mann Blutgeld zahlen.
Die Genitalbeschneidung wird nach islamischem Gesetz im Iran in der Tat mit Blutgeld bestraft und zwar nach Artikel 423-91. In der gesamten islamischen Strafgesetzgebung des Iran ist das Blutgeld für Männer und Frauen unterschiedlich. Nur für das Embryo beider Geschlechter, das heißt vor der Geburt haben Frauen und Männer nach Artikel 427-1 gleiches Blutrecht.
Wie Soheila Wahdati bemerkt, sind nicht nur Frauen, sondern auch Nicht-Muslime nach dem Blutgesetz weniger Wert als Muslime, und zwar schon seit 29 Jahren auch in der iranischen Staatsgesetzgebung.
Wächterrat disqualifizierte die meisten Reformislamisten
Im Vorfeld der Wahlen wurden mehr als siebzig Prozent der reformislamistischen Kandidaten offenbar vom Wächterrat disqualifiziert. Insbesondere Kandidaten der linksislamistischen Modschahedine Enqelabe Eslami wurden nicht zugelassen. Diese Organisation wird der Majmae Rohaninue Mobares, der kämpfenden Geistlichkeit zugeordnet.
Kandidaten der linksislamistisch-moderaten Organisation von Mehdi Karrubi, „Etemade Melli“, „Nationales Vertrauen“, wurden jedoch zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass die Gesetzesvorlage ohne großen Widerspruch verabschiedet wird.